Zikkurats, Pyramiden, Turmbauten
Wir waren
nicht überrascht, als Dominique Görlitz uns von folgendem Gespräch mit Prof.
Hermann Müller-Karpe, einem Experten für vergleichende Archäologie, berichtete:
"Eine Stufenpyramide auf Sardinien? Unmöglich! Junger Mann, Sie haben sich
offenbar von den Großsteinbauten, den Nuraghen, mit ihren Wällen und Steintürmen
beeindrucken lassen. Ich arbeite seit 30 Jahren in der Feldforschung, habe in
dieser Zeit auch Ausgrabungen auf Sardinien geleitet, und Sie können mir
glauben, wenn es dort eine Stufenpyramide gäbe, hätte ich sie sicher gesehen.“
Kaum ein Fachmann will wahrhaben, daß auf einigen Mittelmeerinseln ebenfalls
Pyramiden stehen. Aber es gibt sie tatsächlich, und sie wurden erst kürzlich
entdeckt. In der Nähe von Sassari im Norden Sardiniens liegt das größte und
seltsamste Relikt des Altertums, das so gar nicht zu den sonstigen
Großsteinbauten dieser Insel, den Nurdghen, passen will. Diese Pyramide heißt
Monte d' Accoddi, und sie versteckte sich jahrhunderte lang nahezu unbeachtet
unter einem großen, grasbewachsenen Hügel.
Erst als dort 1950 eine
Militärstation aufgelöst wurde, konnten sich Archäologen ans Werk machen und den
Hügel freilegen. Zum Vorschein kam keine glattwandige Pyramide, wie wir sie aus
Ägypten kennen, sondern vielmehr eine Stufenpyramide, deren Seiten sich leicht
nach innen neigen. Ihre Grundfläche beträgt 37 mal 37 Meter, und die Spitze lag
ursprünglich in zehn Metern Höhe. Mit vielen Tonnen Erde wurde sie
aufgeschüttet, und ihre monumentalen Mauern aus riesigen Steinen erheben sich
immer noch bis in sieben Meter Höhe. Vermutlich haben sie Menschen der so
genannten Ozieri-Kultur errichtet, die seit 3000 v. Chr. ihre Spuren auf der
Insel hinterließen. Nach den neuesten Datierungen, die mit Hilfe der
Radiocarbon-Markierung C 14 möglich sind, entstand das Bauwerk um 2500 v. Chr. "Monte
d'Accoddi ragt als wissenschaftliches Rätsel aus der sardischen Ebene empor",
heißt es in der Fachzeitschrift »Illustrierte Wissenschaft«. Wie bei den
Bauwerken in Mesopotamien handelt es sich auch auf Sardinien um einen
siebenstufigen Tempelberg mit einer über 40 Meter langen Rampe und einem
Prozessionsweg, der zum Tempel auf der obersten Plattform führt. Gab es also
eine lange Reise der Pyramidenbaupläne über das Mittelmeer? Das erste Exemplar
dieser Art entstand in Ur um 2900 v. Chr. Die Bewohner von Sardinien hatten also
400 Jahre Zeit, in denen sie etwas von der Zikkurrat im Zweistromland erfahren
konnten. Prof. Santo Tine aus Genua, der die Ausgrabungen leitete, stellte eine
so große architektonische Ähnlichkeit zu mesopotamischen Stufentürmen fest, daß
man auch für Sardinien ein sakrales Bauwerk annimmt, das von den Trägern der Ozieri-Kultur zu Kulthandlungen oder Himmelsbeobachtungen genutzt wurde. Prof.
Tine gelang es, auch bei dieser Anlage eine exakte Nord-Süd-Ausrichtung
nachzuweisen. Und nicht nur das: Man fand verschiedenste Hüttenfundamente,
Keramiken und Lebensmittelreste im direkten Umfeld, die darauf hindeuten, daß
die Pyramide das Ziel unzähliger Pilger bis weit ins 2. Jahrtausend v. Chr. war.
Heute geht man davon aus, daß um 3000 v Chr. Menschen an Sardiniens Küste
verschlagen wurden, die nach sporadischen Siedlerwellen seit 6000 v. Chr. die
ersten waren, die seßhaft wurden und nicht wieder ausstarben. Ozieri-Leute nennt
man diese Menschen nach dem Namengebenden Fundort. Ihre Behausungen waren
Naturgrotten oder Schilfhütten am Rand großer Teiche, die sie wahrscheinlich
auch mit kleinen Schilfbooten befuhren. Solche so genannten Fassoni-Boote gibt
es immer noch auf Sardinien, eine der letzten Inseln, wo sich diese uralte
Tradition erhalten hat. Die Ureinwohner verehrten die lebenspendende Erdmutter,
die Magna Mater der menschlichen Frühzeit, dargestellt als fettleibige,
gedrungene Frauengestalt aus Kalkstein, Marmor, Trachyt, Alabaster oder Ton, die
in ihrer Form auch an Abbildungen aus dem östlichen Mittelmeerraum erinnert. An
verschiedenen Orten hinterließen sie in den Fels gehauene Steingräber,
Nekropolen, die man hier domus de janas nennt. In diesen eindrucksvollen Anlagen
konnten wir noch eine interessante Beobachtung machen. Viele dieser oft sehr
präzise angelegten Grabkammern waren mit faszinierenden Details ausgestattet.
Sie sind in Form eines Stierkopfes angelegt, und wenn man durch die niedrigen
Eingänge in die dunklen Kammern kriecht, findet man noch teilweise gut erhaltene
Malereien von Stierköpfen oder Stierhörnern über den Öffnungen und schmalen
Durchgängen.
Hier sollen sie als Symbol des männlichen Partners der Göttin von
der magischen Zeugung im Schoß der Erde künden. Die Stiersymbolik taucht auch
immer wieder im vorderasiatischen Kulturraum auf. Darüber hinaus belegen einige
archäologische Funde, daß Sardinien zu jener Zeit Kontakte bis ins östliche
Mittelmeer pflegte. So kam von dort zum Beispiel Obsidian auf die Insel, ein
scharfkantiges vulkanisches Glas, das offenbar zu Speerspitzen und
Messerschneiden verarbeitet wurde. Ob es aber einen kulturellen Zusammenhang
gibt, ist bis heute ungeklärt. Die einheimischen Archäologen, mit denen wir in Sassari sprechen, lehnen jede Theorie einer von außen kommenden Beeinflussung
ab. Diese Einschätzung kennt man weltweit auch von anderen historischen Plätzen,
wo Nationalstolz und eine gewisse Engstirnigkeit die Berührung mit fremden
Kulturen kategorisch ausschließen. Auch auf der Nachbarinsel Sizilien betreten
wir ein völlig unbekanntes archäologisches Gebiet. Über 14 pyramidenförmige
Bauten sollen einmal am Fuße des Ätna gestanden haben, doch die meisten
verschwanden unter den Lavamassen. Der heilige Berg zerstörte viele der von
Menschenhand geschaffenen kleinen symmetrischen Ebenbilder.
Wir beginnen unsere
Suche im Umfeld von Catania in Begleitung von Professor Pietro Carveni, der
zunächst auch nichts weiter als eine Karte mit den verzeichneten Monumenten aus
einer Forschungsarbeit von Frau Professor Rosa Schipani in den Händen hält.
Dieser erste wissenschaftliche Bericht bezieht sich auf einen ungewöhnlichen
Fund in Baruneddu, eine Stufenpyramide, die nicht nur durch ihre imposante
Größe, sondern vor allem durch eine nachweisbare exakte astronomische
Ausrichtung von sich reden machte. In einem mehrseitigen Dossier wurden
interessante Daten zusammengestellt, doch in internationalen Fachkreisen fanden
sie keine besondere Beachtung. Die Suche gestaltet sich schwieriger als gedacht,
da die wissenschaftlich dokumentierte Pyramide wie vom Erdboden verschwunden
ist. Wir finden in den Vororten erstaunlich viele ähnliche Stufenbauten, die an
mesopotamische Tempeltürme erinnern, doch die Einheimischen sehen in ihnen,
ähnlich wie auf Teneriffa, nur Steinhaufen, die fleißige Bauern bei der
Feldbereinigung aufgetürmt haben. Die Forschungsarbeit über Baruneddu läßt aber
ganz andere Schlüsse zu, sie gibt Hinweise auf eine kultische Funktion zu Beginn
unserer Zeitrechnung. Hier könnte sich noch ein großes Forschungsfeld eröffnen,
folgt man dem Archäologen Professor Valerio Manfredi aus Bologna, der meint, die
Wissenschaft habe diese Mittelmeerinsel zu lange aus den Augen verloren. Wir
treffen uns mit ihm, um einer ganz neuen Entdeckung auf die Spur zu kommen, die
Anfang 1999 erstmals in italienischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurde.
Unsere Reise führt uns ins Herz Siziliens, in das Gebiet von Enna. Wir fahren
durch einsame Regionen, bis wir den kleinen Ort Pietraperzia erreichen. Dort
treffen wir uns mit dem Architekten Paolo Sillito, der bislang der einzige ist,
der den geheimnisvollen Platz genau kennt. Über abgelegene holprige Feldwege
nähern wir uns einem atemberaubend weitläufigen Tal, in dessen Mitte sich völlig
überraschend ein pyramidenartiges Monument aus Trockenmauerwerk erhebt.
Von hier
aus öffnet sich der Blick über schier endlos scheinende Hügellandschaften in
alle Himmelsrichtungen. Professor Manfredi ist begeistert von dieser Lage und
erklärt, solche Orte wären allein schon Hinweise auf alte heilige Kultplätze.
Als wir den eigentümlichen Terrassenbau über große, in den Fels gehauene Stufen
besteigen, weist uns der Archäologe auf zwei seltsame Konstruktionen hin, die an
Gebäude erinnern. Das erste erscheint als ausgedehnte Struktur von kreisrundem
Lauf, errichtet aus großen modellierten Steinquadern, die sich an mächtige
Monolithe anlehnen. Daneben finden wir eine rechteckige Kammer. Als wir diese
Anlage auf der Plattform inspizieren, erwartet uns noch eine Überraschung: Wir
finden eine Art Thron aus massivem Stein mit zwei Sitzflächen, die starke
Verwitterungsspuren aufweisen. In die Rückenlehne ist eine Kerbe, eine
Vertiefung, exakt eingehauen, wahrscheinlich für einen Balken zur Befestigung
eines Daches. Als wir das ca. 12 Meter hohe und 20 Meter breite Monument noch
einmal komplett von unten betrachten, erscheint es tatsächlich wie eine Art
Stufenpyramide, eine Mini-Zikkurrat, die von der Basis bis zur Spitze von vier
Rampen bzw. Freitreppen durchkreuzt wird. Eine der Rampen führt direkt zu den
Gebäuden auf der Plattform. Im unteren Bereich nutzte man zunächst natürliche
Steinformationen und ergänzte sie nach oben hin durch sorgfältig behauene und
geschnittene Blöcke, um Treppen und Terrassenstrukturen zu schaffen. "Es muß
sich", behauptet Manfredi, "um einen geheimnisvollen zeremoniellen Ort
handeln, nicht nur wegen seiner isolierten Lage, sondern auch durch diese
einmaligen architektonischen Besonderheiten. Im Umfeld fand man bei ersten
Untersuchungen jetzt Keramikscherben aus verschiedenen Epochen, die meisten
jedoch aus der Antike. Einige Fragmente könnte man in die Bronzezeit datieren,
andere aber scheinen wieder jüngeren Datums. Eines jedenfalls zeigen sie
deutlich: Dieser Ort muß lange Zeit Pilger angezogen haben." Als Heyerdahl
von dieser Entdeckung hörte, kam er sofort nach Sizilien, um hier vielleicht ein
weiteres Puzzleteil für seine These zu finden, daß diese pyramidalen Bauten die
letzten Zeugnisse eines prähistorischen Volkes mit Sonnenkult seien, die ihre
Kultur mit Hilfe der frühen Seefahrt verbreiteten. Er setzte sich umgehend dafür
ein, daß Spezialisten die genauen Untersuchungen einleiten. Der Fund bewegt nun
die italienische Archäologie und die lokalen Wissenschaftler, die das inzwischen
große Interesse der Fachwelt zunächst gar nicht verstehen wollten. Manche von
ihnen sträuben sich sogar gegen die jetzt geplante Erforschung dieses
rätselhaften Baus. Auch wenn es sich um aufregende Funde handelt, muß man die
gewaltigen Dimensionen ägyptischer Pyramiden erst einmal vergessen, um die
wissenschaftliche Bedeutung dieser Stufenpyramiden mit dem notwendigen Respekt
zu würdigen. Die Pyramiden auf den Mittelmeerinseln sind sehr viel unauffälliger
als die großen Vorbilder auf dem Festland. Eine Erklärung hierfür liegt sicher
in der Tatsache, daß die kleinen Inseln sehr viel weniger Arbeitskräfte und
Baumaterial zur Verfügung hatten. Selbst wenn sich hinter diesen Kultbauten eine
große religiöse Idee verbirgt, die das ganze Inselvolk in Bann ziehen konnte, so
waren es immer nur Tausende und nicht Millionen von Menschen, die Hand anlegten
beim Bau. Die Stufenpyramiden auf den Mittelmeerinseln wurden seit Beginn des 3.
Jahrtausends errichtet. Es ist genau die Zeit, in der auch im Nahen Osten die
ersten Bauwerke dieser Art entstehen. Haben Menschen an verschiedenen Orten
gleichzeitig Tausende Tonnen Gestein übereinander geschichtet, um auf diesen
künstlichen Bergen ihre Götter zu verehren? Für die Geschichtsforschung sind die
Pyramiden des Mittelmeers ein Paradoxon. Normalerweise kennt man die Anfangs-
und Endpunkte einer Entwicklungsepoche, nur selten aber die Zwischenstufen, die
zur Entstehung, zum Aufblühen und schließlich zum Untergang einer Kultur geführt
haben. Auf den ersten Blick erscheinen die Pyramiden Sardiniens und Siziliens
wie isolierte Bindeglieder, weil sie auf Inseln liegen, die niemand ohne Karte
und Kompaß entdecken konnte. Ob sich diese mediterranen Pyramidenzentren
unabhängig von den alten Hochkulturen entwickelt haben, ist heute Gegenstand
leidenschaftlicher Wissenschaftsdebatten. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
verfolgten führende Archäologen wie Leonard Woolley oder Flinders Petrie die
Theorie, daß sich die älteste Zivilisation der Menschheit, die Sumerer, von
Mesopotamien relativ schnell in Richtung Westen und Osten ausgebreitet hätten.
Doch inwieweit kann man von Handelskontakten und einem möglichen Kulturaustausch
mit dem Westen Europas sprechen? Während man die Funde von Stufenpyramiden auf
Bahrain und in Oman relativ schnell dem Einflußbereich der Sumerer zuordnet,
sieht die Situation im Westen ganz anders aus. Noch glaubt man, daß die Sumerer
nicht weiter als bis zum heutigen Syrien kamen. Hier hinterließen sie deutliche
Spuren, eine Stufenpyramide, die so genannte Habüba Kabira. Sie weist ein Alter
von 5000 Jahren auf und steht nur knapp 150 Kilometer von der syrischen
Mittelmeerküste entfernt. Im Rahmen unserer Diskussion machen Historiker
interessanterweise auf eine geografische Lücke zwischen Syrien und Sizilien
aufmerksam. Sizilien liegt mehr als 1500 Kilometer über Land und Meer von Habüba
Kabira entfernt. Sollten tatsächlich pyramidenbauende Kulturträger ihre engere
Heimat verlassen haben? Warum befinden sich dann keine Stufenpyramiden auf Kreta
oder in der unmittelbaren Nachbarschaft? Eine Antwort könnte in der Steinzeit zu
finden sein. Die Ägäischen Inseln, Kleinasien und auch Kreta sind mindestens
seit dem 7. Jahrtausend besiedelt. Hier entstanden nicht nur die ältesten
Ackerbauzentren, sondern auch religiöse Kulte und Traditionen. Allein der Palast
von Knossos, den Sir Arthur Evans ausgrub, wies mit seiner Mächtigkeit darauf
hin, daß hier bereits seit 2000 v. Chr. eine Hochkultur entstanden war. Warum
sollten die eigenständigen Kreter mit festen religiösen Vorstellungen und
eigenen Göttern einen Pyramidenkult übernehmen? Völlig anders gestaltet sich
aber die Situation im zentralen Mittelmeerraum und Südeuropa. Zwar hatten sich
im Zuge der Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht einfache bäuerliche Kulturen
ausgebreitet, doch sie besaßen nicht jene enge Bindung an die Religionen des
östlichen Mittelmeers. Hier war es möglich, kulturelles Neuland zu erobern und
religiöse Vorstellungen architektonisch zu untermauern. Das unbekannte Volk, das
an den Küsten Sardiniens oder Siziliens gelandet ist, muß auch hoch entwickelte
navigatorische Fähigkeiten besessen haben, denn alle Pyramidengebiete liegen
direkt auf Inseln oder in unmittelbarer Küstennähe. Für prähistorische Seefahrer
war die Strecke von Syrien bis nach Sizilien keine unüberwindbare Barriere, denn
der Blick auf die Klimakarte des Mittelmeers zeigt, daß eine kräftige Strömung
von Syrien aus bis ins zentrale Mittelmeer verläuft. Auch die Winde im östlichen
Mittelmeer sind relativ günstig, um diese Fahrt in den Westen zu unterstützen.
Erst vom mittleren Mittelmeer ab mußten die frühen Seefahrer quer und gegen die
überwiegend aus nördlichen Richtungen wehenden Winde steuern. Die auffallende
Lücke im Ost-Mittelmeer könnte in der Zukunft geschlossen werden. Anlaß zu
dieser Vermutung geben Berichte über zwei Pyramidenanlagen, die griechische
Archäologen jetzt auf dem Peloponnes in Süd-Griechenland entdeckt haben wollen.
Angeblich werden sie auf das sagenhafte Alter von 4700 Jahren datiert. Obwohl
diese Bauwerke im Gegensatz zu Sizilien und Sardinien wohl glattwandige
Pyramiden darstellen, könnten sie im Zusammenhang jener frühen Kulturwanderungen
entstanden sein. Auch wenn das Meer alle Spuren verwischt, reißt auf den Inseln
die unsichtbare Verbindung der Neuankömmlinge mit ihrer alten Heimat nicht ab.
An dem, was sie mit sich führten, kann man erkennen, woher sie kamen und über
welche kulturellen Errungenschaften sie verfügten. Es scheint unumstritten, daß
Keramik, Kulturpflanzen, Zuchttiere, Kupferverarbeitung und vieles andere von
Vorderasien über das Mittelmeer bis nach Spanien verbreitet wurden. Warum also
nicht auch eine bestimmte Architekturform, zum Beispiel die Pyramide? Am ehesten
vorstellbar erscheint vor allem den Seefahrthistorikern ein Kulturtransfer von
Ost nach West mit der Rotation der Erdkugel und den sich daraus ergebenden
Winden und Strömungen. War man also vom Indus-Tal an Afrika vorbei über den
Atlantik in den Golf von Mexiko gesegelt und von dort vielleicht weiter über den
Pazifik nach Polynesien? Hatte die Reise im Zentrum des Mittelmeers begonnen
oder an der afrikanischen Westküste? Jahrzehntelang schon brüten Forscher über
diesen Rätseln, schon deshalb, weil sie letztlich auf die Kernfrage zulaufen:
Gab es am Ende gemeinsame Wurzeln der großen Hochkulturen, die sich vor 5000
Jahren fast unvermittelt im östlichen Mittelmeerraum, im Zweistromland und am
Indus-Delta entfalten? Korrespondierten sie mit den Hochkulturen in Südamerika
und am Golf von Mexiko? Datieren doch die Maya und Azteken den Anfang ihrer
Geschichte mit dem Auftauchen von Schiffen auf dem Atlantik zu der Zeit, als in
Ägypten die erste große Ära des Pyramidenbaus begann. In der ägyptischen
Schöpfungsgeschichte taucht die Erde als ein Urhügel aus dem Weltenmeer auf.
Überall auf der Welt symbolisiert die Pyramide letzten Endes einen solchen Hügel
oder Berg, der zum Sinnbild des Überlebens und einer Annäherung zwischen Mensch
und Göttern, dem Erdenbewohner und dem Universum wird. Manche Wissenschaftler
verknüpfen diese Vorstellungen mit der konkreten und kollektiven Erfahrung von
Naturkatastrophen. Die Legenden aber und die Pyramiden selbst als Archetypen des
ewigen Seins, des Glaubens an himmlische Mächte, bewahren noch immer ein tiefes
Geheimnis, das auch am Ende dieses Jahrtausends nicht gelüftet ist.
Quelle: Terra X Planet der
Pyramiden/Wo lag Atlantis von Uta von Borries/Gottfried Kirchner, ISBN: 65486
6001,Weltbild-Verlag
Seite: 52 - 65